ZWEI FANTASTISCHE WERKE - BEEINDRUCKEND INTERPRETIERT

 

5 von 5 Sternen

Von Benno von Archimboldi

 

Über 30 Jahre hat es gedauert, bis Keith Jarretts "Köln Concert" eine Neueinspielung auf CD erlebt hat (nachdem sich der Meister lange Jahre geweigert hatte, sein O.k. zu einer Transkription zu geben). Bei "Bregenz" hat es sogar noch länger gedauert. Und im Gegensatz zu Tomasz Trzcinskis manchmal ein wenig hölzern klingender "Köln"-Einspielung ist die Neuvertonung der beiden Hauptteile des Bregenzer Konzerts vom Mai 1981 durch Vic Olsen herausragend gut geraten.

Von diesem Pianisten habe ich zuvor nie etwas gehört, ebenso wenig von dem Label CVM, aber diese Scheibe, auf der neben "Bregenz" auch noch die h-Moll-Sonate von Franz Liszt zu hören ist, ist klangtechnisch allerfeinst und enthält zwei wirklich fantastische Einspielungen auf höchstem Niveau. Vic Olsen gelingt es in "Bregenz", die jazzigen und die eher klassisch anmutenden Passagen dieser seinerzeitigen freien Improvisation aufs Präziseste miteinander zu verknüpfen und sowohl in den leiseren, weichen Passagen als auch in den kräftigen Lagen die Originalversion sogar noch in den Schatten zu stellen. Damit ist natürlich nichts gegen Keith Jarretts fantastischen Schöpfungsakt gesagt, bei welchem die Musik erst "aus dem Nichts heraus" (wie er selbst sehr oft betont hat) entstanden ist. Zwar ist bekannt, dass Jarrett einige der Themen und Motive, die er in den Solo-Klavier-Improvisationskonzerten aufgreift, zumindest in Rohfassungen vorkomponiert hat, aber das relativiert ja nicht die Genialität, solche Basiskompositionen immer wieder neu zu arrangieren und zu einem fertigen Werk werden zu lassen. Insbesondere von den 1970er Jahren bis in die Mitte der 1990er hat Jarrett oft in zweiteiligen Sets derartige "Instantkompositionen" geschaffen, und viele davon sind zeitlos fantastisch. Das Bregenzer Konzert gehörte für mich schon immer - neben den "Sun Bear Concerts" von 1976 in Japan und dem "Vienna Concert" von 1991 - zu den allergroßartigsten unter den herausragenden Konzertalben. Dass nun ein kaum bekannter, aber offensichtlich sehr begabter Pianist dieses Werk so exzellent neu interpretiert und in eine Reihe mit Franz Liszts berühmter Romantik-Sonate stellt, hebt die Bedeutung von "Bregenz" noch einmal an. Von der Original-Aufnahme des Bregenzer Auftritts fehlen zwar die Zugaben "Untitled" und "Heartland" (die beide natürlich auch zur Klasse dieses Jarrett-Albums beitrugen), doch die beiden insgesamt etwa 34 Minuten langen Hauptteile sind von solch wunderschöner Harmonie, dass man nur staunen kann ob der Großartigkeit des Komponisten und seines Interpreten.

 

In einem Jahr zahlreicher Veröffentlichungen älterer Aufnahmen von Keith Jarrett von sehr toller (die Bach-Sonaten mit der Geigerin Michelle Makarski), recht ordentlicher (die Trio-CD "Somewhere") und eher mittelmäßiger Güte (die kompletten "Hymns/Spheres"-Movements und "No End") sticht die Vic-Olsen-Interpretation von "Bregenz" tatsächlich heraus. Ist es ein Zufall oder nicht, dass just in diesem Herbst 2013 nicht nur die Olsen-Aufnahme, sondern das originale Bregenzer Konzert von Jarrett erneut veröffentlicht wurde - dieses Mal erstmals auf CD zusammen mit einer Aufnahme eines Auftritts in München Anfang Juni 1981 wie schon bei der ursprünglichen 3-LP-Box?

30. November 2013, Amazon.de

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